Bipolare Störung: So wird die Diagnose gestellt und mit diesen Therapien wird behandelt (2024)

Stand: 09.03.2024 20:48 Uhr| vom

Die bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung mit unklarer Ursache. Die Symptome vonManie und Depression können eine Wesensveränderung bedeuten. Bei der Diagnose kann ein Test helfen.

von Elena Zelle-Möhlmann

Die bipolar-affektive Störung ist eine psychische Erkrankung. Betroffene erleben starke Stimmungs- und Antriebsschwankungen: Phasen mit gehobener Stimmung und großem Tatendrang wechseln sich mit gedrückter Stimmung und vermindertem Antrieb ab. Daher kommt auch der Name: "Bi" bedeutet zwei, "polar" so viel wie entgegengesetzt - also zwei entgegengesetzte Stimmungen. Eine ältere Bezeichnung ist manisch-depressive Erkrankung. Für viele Betroffene ist ein normaler Alltag nicht möglich. Etwa drei bis fünf Prozent der Menschen leben mit einer bipolaren Störung.

Symptome einer bipolaren Störung: Wesensveränderung

Die bipolare Störung hat zwei Seiten: Manische Phasen wechseln sich mit depressiven Episoden ab. Das geht oft mit einer Wesensveränderung einher. Die Symptome fallen je nach Phase sehr unterschiedlich aus und sind auch individuell verschieden.

Typisch in der manischen Phase:

  • Stimmung: euphorische Hochstimmung, übertriebene Heiterkeit, übertriebenes Genussbedürfnis, Distanzlosigkeit, Reizbarkeit, Ungeduld, Streitlust, Selbstüberschätzung
  • Antrieb und Aktivität: gesteigerte Aktivität, Beschäftigungsdrang, viele Dinge anfangen und nicht zu Ende bringen, erhöhte Ablenkbarkeit, unrealistische Pläne, gesteigerte Energie, Kraftgefühle, gesteigerte Libido, unbedachte Geldausgaben, unüberlegte Entscheidungen
  • Denken und Sprechen: schnelles und lautes Sprechen, die Gedanken rasen
  • Soziale Folgen: übertriebene Geselligkeit, Hemmungslosigkeit, Gefahren unterschätzen

In ausgeprägten Fällen haben Betroffene in der manischen Phase psychotische Erscheinungen wie Größen- oder Liebeswahn. Auch Halluzinationen sind möglich. In den manischen Phasen fühlen Menschen mit bipolarer Störung sich meist nicht krank - im Gegenteil.

Typisch in der depressiven Phase:

  • Stimmung: Niedergeschlagenheit, Ängste, Traurigkeit, Sorgen, Verzweiflung, Selbstzweifel, Selbstabwertung, Freudlosigkeit, Gefühl der Leere, Gefühllosigkeit, Unfähigkeit zu genießen, Hoffnungslosigkeit
  • Antrieb und Aktivität: Interessenlosigkeit, Passivität, Entscheidungen kaum möglich, Verlangsamung der Bewegung, innere Unruhe
  • Denken und Sprechen: Ideenlosigkeit, Grübeln, Konzentrationsstörungen, Gedächtnis- und Merkfähigkeitsprobleme, langsames, leises Sprechen, Jammern
  • Körperliche Beschwerden: Müdigkeit, Erschöpfung, Kraftlosigkeit, erhöhtes Ruhebedürfnis, Libidoverlust, Ein- und Durchschlafprobleme, frühes Aufwachen, vermehrtes Schlafbedürfnis
  • Soziale Folgen: Rückzug, keine Lust auf Unternehmungen, Vermeiden von Geselligkeit

Zusätzlich kann es zu psychotischen Symptomen kommen wie zum Beispiel Verarmungswahn, Schuldwahn oder die Angst, unheilbar erkrankt zu sein. Eine große Gefahr der depressiven Phasen ist das erhöhte Risiko der Selbsttötung: Menschen mit bipolarer Störung haben ein 20-fach erhöhtes Suizidrisiko.

Formen und Krankheitsverlauf

In der Regel wechseln sich Manie oder Hypomanie und Depression ab. Bei manchen Betroffenen fallen die Manien leichter oder eher kurz aus, das nennen Fachleute dann Hypomanie. In der Regel dauern depressive Episoden mehrere Monate, die manischen Episoden sind meist kürzer. Zwischen den Phasen treten in der Regel krankheitsfreie Episoden unterschiedlicher Länge auf. Eine Sonderform der bipolaren Störung ist das sogenannte Rapid Cycling, es ist durch einen raschen Wechsel mit mindestens vier Phasen einer Depression oder Manie pro Jahr gekennzeichnet. Darüber hinaus gibt es auch gemischte Episoden, in denen depressive und manische Symptome zeitgleich auftreten und die Stimmung von Tag zu Tag oder stündlich umschlagen kann.

Ursachen der bipolaren Störung

Was die Ursachen für eine bipolare Störung sind, ist noch nicht klar. Fest steht, dass es die eine Ursache wohl nicht gibt. Vielmehr geht man von einem Zusammenwirken von biologischen Faktoren und Umwelteinflüssen aus. Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich um eine Erkrankung des Gehirns handelt: Der Gehirnstoffwechsel sowie bestimmte Botenstoffe funktionieren nicht richtig. Unter diesen Voraussetzungen können belastende Lebensereignisse wie eine Trennung, der Tod eines nahen Angehörigen oder auch ein Umzug eine bipolare Störung auslösen. Gleiches gilt für Drogen, Alkohol und Schlafmangel. Zwar scheint die bipolare Störung selbst nicht vererbt zu werden, wohl aber die Anfälligkeit dafür. Ist ein Elternteil betroffen, erhöht sich das Risiko zu erkranken um 10 bis 20 Prozent, sind beide Eltern betroffen, sogar um 50 bis 60 Prozent.

Diagnose beim Facharzt: Test kann helfen

Auch wenn der Leidensdruck hoch ist: Viele Betroffene wissen nichts von ihrer Erkrankung. Das hat vor allem drei Gründe. Der erste: Eine bipolare Störung beginnt oft im jugendlichen oder jungen Erwachsenenalter. Die Stimmungsschwankungen werden daher oft als typisch für die Pubertät abgetan. Der zweite Grund: Anhand einer depressiven Episode lässt sich keine bipolare Störung feststellen. Wichtig ist deshalb, im Gespräch mit Betroffenen (Anamnese) sowie deren Angehörigen (Fremdanamnese) auch zurückliegende Symptome zu erfassen. Und der dritte Grund: Manische Phasen zu erkennen, ist sehr schwierig, denn die werden von den Betroffenen selbst nicht unbedingt als problematisch erlebt. Hilfestellung bietet auch ein Test, der Mood Disorder Questionnaire (MDQ) heißt.

Anhand der Fragen lässt sich herausfinden, ob jemand schon einmal eine Manie erlebt hat. Aber: Der Test ersetzt keinen Besuch bei der Ärztin oder dem Arzt. Wer den Verdacht hat, an einer bipolaren Störung zu leiden, sollte das bei der Fachärztin oder dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie abklären lassen. Eine bipolare Störung geht oft mit Angst- oder Suchterkrankungen, Essstörungen, Zwangserkrankungen, ADHS oder Persönlichkeitsstörungen einher.

Therapie: Frühwarnzeichen, Medikamente und Psychotherapie

Die Therapie ist sehr individuell. Sie besteht im Wesentlichen aus einer medikamentösen Behandlung und Psychotherapie und richtet sich nach der jeweiligen Phase. Um die Therapie so früh wie möglich anpassen zu können, ist es wichtig, dass Betroffene lernen, welche ihre individuellen Frühwarnzeichen für eine depressive oder manische Phase sind.

Die Akut-Therapie soll die Stimmung während einer Depression oder Manie stabilisieren. Ist das gelungen, schließt sich die Erhaltungs-Therapie an. Sie hat das Ziel, die Phase zwischen den depressiven und manischen Episoden auf sechs bis zwölf Monate auszudehnen. Die Rückfall-Prophylaxe soll auch langfristig Rückfälle verhindern.

Bei drei oder mehr Phasen innerhalb von fünf Jahren kommt eine Dauerbehandlung mit Medikamenten infrage. Wann und in welcher Dosis welche Medikamente eingesetzt werden, ist individuell verschieden. In der Regel sind es drei Gruppen: Stimmungsstabilisierer, Antidepressiva und atypische Antipsychotika. Die Wirkung setzt erst nach ein paar Wochen ein, deshalb bessern die Symptome sich nicht sofort.

Expertinnen und Experten aus dem Beitrag:

PD Dr. Moritz Wigand, Schön Klinik Rendsburg

Chefarzt - Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik
www.schoen-klinik.de/rendsburg/moritz-wigand

Bianca Scholz, Schön Klinik Rendsburg

Psychologin

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Dieses Thema im Programm:

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